II. VON DER MOBILMACHUNG BIS ZUM BEGINN DES WESTFELDZUGES
Die nun vorgesehene LL-Operation im Divisionsrahmen und die Landung hinter den Linien des Feindes waren etwas ganz Neues. Ohne Vorschriften wurden in täglichen Übungen die taktischen Regeln und die Ausrüstung
(Westfalen ) in Erfahrung gebracht, die für den LL-Einsatz von Wert zu sein schienen. Das LL-Gerät, das für die Infanterie-Regimenter schon in den Standorten bereitlag, wurde herangeführt. Für die schweren
Waffen arbeiteten die Waffenmeistereien fieberhaft daran, alles Gerät für einen kommenden Einsatz brauchbar zu machen. Das Artillerie-Regiment wurde mit Gebirgskanone 15 (Weltkriegsgeschütz der Skoda-Werke)
ausgerüstet und diese durch Kleinpferde beweglich gemacht. Alle Kampfverbände waren in verladeeinheiten nach Maßgabe der Tragfähigkeit einer Ju52 eingeteilt:
-
16-18 Mann mit leichten Inf.-Waffen und Munition oder
-
12 Fallschirmjägers
-
1 Geb.-Kan. 15 + Kleinpferd + Pferdeführer und Richtkanonier oder
-
1 Muni-Wagen mit 15 Schuß 7,5 Granaten + 5 Mann oder )
-
13,7 Pak mit Bedienung und Munition oder
) von Hand zu ziehen
-
12 cm Fla-Geschütz mit Bedienung und Munition
)
Neben dieser LL-Eintellung und -Ausrüstung blieb die Ausstattung der Infanterie-Division bestehen. Für den Fall eines LL-Einsatzes wurden die Telle, die nicht in Flugzeuge verladen werden konnten (1eFH 18,
Feldküchen, Gepäcktrosse usw.), zu sogenannten Erdstaffeln zusammengefaßt. Diese Zwiespältigkeit erschwerte den Dienst erheblich.
Ende März 1940 wurde I.R. 16 wieder in den Unterbringungsraum der Division verlegt - es schien ernst zu werden. Inzwischen erfolgte die Besetzung Norwegens.
III. DER LUFTLANDEEINSATZ IN HOLLAND
Am 8. Mai 1940 rief Generalleutnant Graf Sponeck die Kommandeure seiner Division in einem kleinen Gasthaus zu Wiedenbrück zusammen und gab die Kampfaufträge bekannt: I.R. 16 wurde der 7. Flieger-Division (Gen.
Student) unterstellt und sollte in Zusammenarbeit mit Falischirmjägern die Brücken über Waal und Maas bei Rotterdam und Dordrecht unzerstört in Besitz nehmen, die für den Vormarsch schneller
deutscher Truppen aus Südholland von Bedeutung waren. Die 22. Division sollte mit den beiden anderen Regimentein nach vorausgegangener Inbesitznahme der Landeplätze durch das I. und II. Batailon des Fallsch.Rgt.
3 an drei Stellen um Den Haag landen, die Hauptstadt nehmen, die Regierung ausschalten und die Königin gefangennehmen (Führerbefehl). Mit der rechtzeitigen Flucht der Regierung entfiel der zweite Teil des
Auftrages am Vorabend des Einsatztages. Voraussetzung für den Erfolg des Unternehmens war eine starke deutsche Luftüberlegenheit, um den Mangel an schweren Waffen bei der Erdtruppe auszugleichen und den Nachschub
aus der Luft auch bel Tage zu gewährleisten.
Die Durchführung der LL-Einsätze am 10. 5. 1940 gelang nicht in der erwarteten Weise. Das Moment der Überraschung kam nicht zum Tragen, die Luftlandung wurde von den Holländern seit dem 2.5. erwartet, und
die Regimenter 47 und 65 fanden die befohlenen Landeplätze stark besetzt und teilweise sogar vermint vor. Offenbar waren Mängel in der Geheimhaltung aufgetreten, und das Feindbild war unvollständig gewesen. Die
vorbereiteten Luftangriffe brachten keinen vollen Erfolg, die zundähst landenden Fallschirmjäger konnten die Landeplätze nicht wirkzam genug freikämpfen. So geriet die erste Welle der 22. Division in starkes
Abwehrfeuer und hatte noch vor Verlassen der Transportflugzeuge große Verluste. Mehrere Maschinen wurden nach der Landung durch Gewehrfeuer, Artilleriebeschuß oder feindliche Kampfflugzeuge in Brand geschossen
und sperrten das Rollfeld für die nachfolgenden Teile. So mußten mehiere Maschinen beladen zu ihren Abflughäfen zurückfliegen, andere führten in der Umgebung Notlandungen durch. Nur ein geringer Teil der
Flugzeuge konnte wieder nach Westfalen zurückfliegen, wo die nachtolgenden Wellen auf Verladung warteten. Etwa 10 bis 15 Maschinen wurden beladen in der Luft abgeschossen. So betrug schließlich die Stärke der
bei der 22. Division gelandeten Teile etwa 2000 Mann, die in 14 kleine Einheiten aufgesplittert waren. Etwa 5000 Mann der fliegenden Staffel, hierunter die Mehrzahl der schweren Waffen und der Sanitätsdienste,
kamen nicht mehr zum Einsatz. Außerdem kam es in den Einflugschneisen, die bis zur Grenze durch Flak und von dort aus durch jagdverbände gesichert wurden, zur Vermischung einzelner Transportverbände und zum
Auseinanderreißen taktischer Einheiten.
Weniger geschlossen erfolgten die Unternehmungen der Regimenter 47und 65, die der 22. Division unterstellt blieben. Das verst. I.R. 47 hatte den Auftrag, auf dem durch die 6./Fallsch.Rgt. 2
frei zukämpfenden
Landeplatz I, Valkenburg
[Karte 1]
, zu landen, den Rhijn-Abschnitt zwischen Leiden und Katwijk aan Zee zu sperren und mit Teilen auf Den Haag vorzustoßen. Das III. Bataillon landete am 10.5. gegen 7.00 Uhr in starkem
Abwehrfeuer. Die einzelnen Ladeeinheiten mußten aus den Maschinen heraus den am Platzrand eingeschanzten Gegner angreifen und den Flugplatz erst gemeinsam mit den Fallschirmjägern in verlustreichem Gefecht nehmen.
Die Maschinen, soweit sie nicht ohnehin schon in Flammen standen, konnten wegen des schlammigen Bodens nicht wieder starten. So kam es, daß das II. Btl., das mittags eintraf, nicht landen konnte -und teilweise
wieder umdrehte, teilweise in den Dünen zur Notlandung niederging. Die übrigen Teil des Regiment wurden angehalten. Der Auftrag des Regiments konnte unter diesen Umstanden nicht ausgeführt werden, nur die Stadt
Valkenburg wurde genommen. Ganz auf sich gestellt hielten die gelandeten Einheiten des Regiments 47 F (Rgts.Stab mit Aufklärungs- und Nachrichtenzug, III./47 ohne II.Kp.), drei Ladeeinheiten der 6./65 und vier der
8./65 sowil andere versprengte Teile ihre Igelstellung unter Führung des verwundeten Oberst Heyser ohne Kenntnis der Gesamtlage gegen alle Angriffe überlegener Feindkräfte. Eine Verbindungsaufnahme zu den in den
Dünen gelandeten Teilen der 5. und 6./47 gelang nicht.
Besondere Verhältnisse herrschten bei den Ladeeinheiten, die in den Dünen südwestlich Katwijk gelandet waren. Da hier keine Munition abgeworfen wurde, griff man zu den zahlreich erbeuteten holländischen
Waffen. Der Gefreite Schierling brachte allein eine holl. Feldkanone zum Einsatz. Wenn hier auch nach der Zusammenfassung von 136 Mann durch Oblt. Voigt trotz großer Gefangenen- und Beutezahlen keine größeren
taktischen Erfolge erzielt werden konnten, so wurden doch stärkere Kräfte des Feindes gefesselt.
Der schnelle Sieg war für die gelandeten Einheiten mit außerordentlichen Verlusten erkauft worden. 42 Prozent der Offiziere und 28 Prozent der Uffz. und Mannschaften waren ausgefallen,
bei einigen Teilen (z.B. III./16, II./65) bis zur Hälfte.
Die Versorgung der meisten Verwundeten hatte nur dadurch sichergestellt werden können, daß sie dem Gegner als Gefangene übergeben worden waren, der die Betreuung vorbildlich gehandhabt und Gefangene nur
vereinzelt nach England abtransportiert hatte (u. a. Oberst Friemel). Die Flugzeugverluste hatten eine empfindliche Lücke in die Transportluftflotte geschlagen, etwa 90 Prozent der Ju's der ersten Welle waren
nicht zurückgekehrt und ein großer Teil des fliegenden Personals ausgefallen.